9 Low Risk: Warum „langweilige“ Aktien oft besser laufen
9.1 Die Geschichte von Hase und Schildkröte
Du kennst bestimmt das alte Märchen:
Ein schneller Hase fordert eine Schildkröte zum Rennen heraus. Er ist überzeugt, dass er locker gewinnt. Aber er wird übermütig, macht Pause – und am Ende gewinnt die Schildkröte.

Diese Geschichte passt perfekt zum Investieren.
Viele Leute rennen den höchsten Renditen hinterher, kaufen „heiße Aktien“, verkaufen bei Panik. Andere gehen ruhig, diszipliniert und systematisch vor - sie vermeiden große Fehler und kommen oft weiter.
Und genau darum geht es bei Low Risk: langsamer sein und trotzdem gewinnen.
9.2 Was bedeutet „Low Risk“?
Wörtlich heißt es: „niedriges Risiko“.
Im Finanzkontext heißt das aber nicht, dass du keine Schwankungen hast - sondern, dass du bewusst auf stabile Anlagen setzt, die nicht so heftig auf jede Nachricht reagieren.
Low‑Risk‑Aktien sind meist aus Branchen, die immer gebraucht werden: Lebensmittel, Gesundheit, Versorgung, Versicherungen.
Klassisches Beispiel: Wenn Wirtschaft und Börsen wanken, kaufen Menschen trotzdem Windeln, Zahnpasta, Strom und Medikamente. Diese Unternehmen arbeiten konstant weiter - ihre Aktien fallen in Krisen weniger stark und erholen sich schneller.
Low Risk ist also die Strategie der Schildkröte: kleine, beständige Schritte statt großer Sprünge.
9.3 Warum „langweilig“ oft gut ist
Vielleicht denkst du: „Aber langweilig macht doch keinen Spaß!“
Stimmt –es kitzelt nicht, wenn deine Aktie ruhig läuft. Aber Langweiligkeit heißt Stabilität - und die zahlt sich langfristig aus.
Albert Benchmark, ein Finanzhistoriker, sagte einmal sinngemäß:
„Die meisten Crashs passieren, weil Menschen sich langweilen.“
Low‑Risk‑Investoren wissen: Ruhige Phasen sind gute Phasen. Sie erlauben Zinseszins, Rebalancing und Stressfreiheit. Du gewinst keine Schlagzeilen, aber du gewinnst Ruhe - und damit Zeit.
9.4 Wie Forscher/-innen auf den Low‑Risk‑Effekt stießen
In den 1970ern fiel Wissenschaftler/-innen etwas Seltsames auf:
Eigentlich sollte mehr Risiko = mehr Rendite bringen.
Doch viele Daten zeigten das Gegenteil: Manchmal hatten Aktien mit geringeren Schwankungen langfristig bessere Ergebnisse.
Warum?
Weil geringe Rückschläge Zeit sparen.
Wenn eine Aktie -50 % fällt, muss sie danach 100 % steigen, um wieder denselben Wert zu haben. Langsame Verluste = schnellere Erholung.
Das heißt: Wer seltener große Dellen im Depot hat, kommt schneller voran - auch wenn die Durchschnittsrendite ähnlich aussieht.
9.5 Ein Blick auf ruhige Branchen
Hier ein paar Beispiele für „Low‑Risk“-Sektoren:
| Branche | Beispiele | Warum stabil |
|---|---|---|
| Gesundheit | Roche, Pfizer, Novo Nordisk | Menschen werden immer medizinisch versorgt sein. |
| Basiskonsum | Nestlé, Coca‑Cola, Unilever | Man isst und trinkt auch in Krisen. |
| Versorger | E.ON, EnBW, National Grid | Strom und Wasser bleiben zwingend nötig. |
| Versicherungen | Allianz, Axa | Sicherheit bleibt gefragt. |
Das bedeutet nicht, dass diese Firmen immer steigen - aber sie fallen meist weniger schnell und schaukeln ruhiger durch Krisen.
9.6 Wie sieht eine ruhige Anlage auf dem Chart aus?

Die zappelige Linie zeigt ein „Risk‑Liebhaber“-Depot: große Gewinne, aber auch tiefe Verluste.
Die ruhige Linie führt langsamer zum Ziel – aber ohne Sprünge.
Manchmal erreicht sie es sogar früher, weil sie nicht schmerzhafte Verluste aufholen muss.
9.7 Psychologie des Ruhigen
Low Risk funktioniert nicht nur auf Papier, sondern im Kopf.
Je ruhiger deine Anlagen laufen, desto leichter fällt es dir, dranzubleiben.
Kein Panikverkauf, keine Angst, keine Gier – du beobachtest gelassener.
Und wer gelassen bleibt, macht weniger Fehler – ein gigantischer Vorteil.
Ein altes Sprichwort in der Finanzwelt sagt:
„Das größte Risiko ist dein eigener Daumen auf dem Sell‑Button.“
Low Risk schützt dich davor, weil du gar nicht mehr so oft auf die Zahlen schaust.
9.9 So setzt du Low Risk praktisch um
Du hast mehrere Wege:
1️⃣ Low Volatility ETF – bündelt stabile Aktien mit niedrigen Schwankungen.
2️⃣ Verbrauchsgüter‑ETFs – Lebensmittel, Getränke, Haushaltsartikel.
3️⃣ Mischportfolios – Anteil an Anleihen oder Geldmarkt‑ETFs beimischen.
Beispiel:
👉 70 % MSCI World
👉 20 % Low Volatility ETF
👉 10 % Anleihen
So reduzierst du die Schwankungen deines Depots spürbar - ohne, dass du auf Marktwachstum verzichtest.
9.10 Der mathematische Vorteil des Ruhigen
Wenn du ein Depot mit großen Aufs und Abs hast, musst du nach jeder Talfahrt mehr arbeiten, um wieder an den Start zu kommen.
Beispiel:
👉 Minus 50 % → dann brauchst du +100 %, um gleich zu sein.
👉 Minus 20 % → +25 % reicht – viel leichter.
Low Risk erspart dir krasse Erholungswege.
Das ist, als würdest du einen Berg in langen, ruhigen Serpentinen hinaufgehen statt steil und hektisch – du kommst entspannter oben an.
9.11 Was fehlende Aufregung vermeidet
Langweilige Investments sind der beste Schutz vor dummen Entscheidungen.
Denn hohe Volatilität zieht Emotion an.
Menschen lieben Action – aber Geld mag Ruhe.
Low Risk grenzt den Raum für Kurzschlussreaktionen ein.
9.12 Beispiel aus der Geschichte: Defensive Gewinner
In der Finanzkrise 2008 stürzten Tech‑ und Finanzaktien ab - aber Unternehmen wie Procter & Gamble oder Johnson & Johnson hielten sich erstaunlich gut.
Ihre Produkte bleiben alltäglich: Shampoo, Medikamente, Zahnpasta.
Das Low‑Risk‑Prinzip bot einen Puffer. Wer solche Aktien oder ETFs im Depot hatte, verlor weniger - und erholte sich schneller.
9.13 Low Risk + Momentum = Power‑Kombination
Vielleicht klingt es widersprüchlich: Der eine Teil setzt auf Ruhiges, der andere auf Trends. Doch gemeinsam ergänzen sie sich perfekt.
Momentum gibt Schwung, Low Risk bremst Übermut.
Viele Fonds kombinieren deshalb beides. Auch du kannst: 90 % Basis ETF, 10 % Momentum oder Low Risk –und du läufst stabil mit.
9.14 Psychologische Superkraft –Gelassenheit
Ein absolut unterschätzter Renditefaktor: Schlaf.
Wer ruhiger schläft, verkauft seltener im Panikmodus. Und wer verkauft, verliert.
Wenn du dein Investment fast vergisst, ist es vielleicht genau richtig.
Low Risk gibt dir diese Gelassenheit –und die erhöht deine Wahrscheinlichkeit, dranzubleiben.
9.15 Low Risk für Einsteiger/-innen –Checkliste
✅ Ich will langfristig investieren (> 5 Jahre).
✅ Ich mag keine starken Schwankungen.
✅ Ich bin bereit, etwas auf Spannung zu verzichten.
✅ Ich habe eine Basis im Depot (ETF auf Weltmarkt).
✅ Ich möchte ruhig schlafen.
Wenn du 4 oder 5 Punkte abhaken kannst, passt Low Risk ideal zu dir.
9.16 Wie Low Risk deine Lebenseinstellung spiegelt
Low‑Risk‑Investieren ist mehr als eine Finanztechnik. Es ist ein Mindset.
Es bedeutet, den eigenen Weg ruhig zu gehen, auch wenn andere rennen.
Es symbolisiert Geduld und eigene Ziele statt Vergleiche.
So wie Leute, die regelmäßig Sport treiben, statt Crash‑Diäten zu machen - deren Erfolge sind nach Jahren sichtbarer.
Finanzielle Fitness funktioniert genauso.
9.17 Fehler, die du vermeiden solltest
❌ Alles in nur eine „sichere“ Aktie legen. (Risiko von Firmenschieflage.)
❌ Low‑Risk mit „ohne Risiko“ verwechseln – auch ruhige Titel können fallen.
❌ Ungeduldig werden, weil es „zu langweilig“ aussieht.
💡 Erinnerung: Die Schildkröte gewann nicht, weil sie spektakulär war, sondern weil sie nicht aufhörte.
9.18 Dein einfacher Einstieg
Starte mit einem Basis‑ETF und füge später einen Low Volatility ETF hinzu.
Oder richte ein kleines „Sicherheits‑Guthaben“ aus Anleihen ein.
Beispiel: Du hast bereits einen ETF‑Sparplan von 100 € – teile ihn in 70 €/30 € auf.
Das ändert kaum den Aufwand, wohl aber deine Nervenanstalt.
9.19 Was du aus diesem Kapitel mitnehmen solltest
👉 Low Risk bedeutet ruhiges, konstantes Investieren.
👉 „Langweilig“ bedeutet nicht „schlecht“ – es bedeutet „verlässlich“.
👉 Ruhigere Anlagen verlieren weniger in Krisen und holen Verluste schneller auf.
👉 Psychologisch stärken sie deine Disziplin und deinen Schlaf.
👉 Low Risk und Momentum können sich ergänzen – eine ruhige Basis, ein aktives Element.
9.20 Zum Nachdenken
„Manchmal gewinnt nicht der, der am schnellsten läuft, sondern der, der am gleichmäßigsten geht.“
Investieren ist kein 100‑Meter‑Sprint, sondern ein Marathon.
Wenn du dein Tempo kennst und hältst, kommst du weiter als die meisten.
9.21 Ausblick
Im nächsten Kapitel lernst du „Value“ kennen - die Strategie, günstige Gelegenheiten zu erkennen und auf langfristigen Wert zu setzen.
Sie passt wie ein Puzzleteil zu Low Risk – beide setzen auf Vernunft statt Hype.