19  Bonuskapitel: Wie Profis Python verwenden (einfach erklärt)

Warum Daten so wichtig sind – und wie du mit nur wenigen Grundideen schon verstehst, wie moderne Investment-Analysen funktionieren.

19.1 Willkommen in der Welt der Daten – ganz ohne komplizierte Mathematik

Vielleicht hast du dich beim Lesen der bisherigen Kapitel gefragt, wie Profis eigentlich herausfinden, welche Strategie funktioniert und welche nicht. Wie testen Fondsmanager ihre Ideen? Wie prüfen Analysten, ob eine Annahme stimmt? Und wie kann man messen, ob eine Strategie besser ist als eine andere?

Die kurze Antwort lautet:

Sie benutzen Daten. Und sehr oft Python.

Python ist die Sprache, die hinter einem Großteil der heutigen Finanzwelt steckt – nicht, weil sie besonders „nerdig“ oder kompliziert wäre, sondern weil sie Dinge unglaublich einfach macht. Mit Python können Analysten Millionen von Kursdaten verarbeiten, Strategien testen, Auswertungen fahren, Diagramme erstellen und Risiken berechnen.

Und das Beste:

Du kannst alles, was du in diesem Kapitel liest, verstehen, ohne selbst zu programmieren.

Dieses Kapitel ist eine Einladung – kein Techniktest.

19.2 Was macht Python im Investment eigentlich?

Wenn man Profis beobachtet, sieht man kein hektisches Hin- und Herklicken, keine ellenlangen Excel-Tabellen und keine kryptischen Geheimformeln, die nur Eingeweihte kennen. Stattdessen sieht man:

👉 klare Daten
👉 saubere Analysen
👉 reproduzierbare Prozesse

Und genau dafür ist Python perfekt.

ABB. 19.1: Python als Analyse-Assistent

Hier sind die wichtigsten Dinge, die Python im Investment ermöglicht – erklärt in einfacher Sprache:

19.2.1 Daten laden – wie in einer übersichtlichen Werkzeugkiste

Wenn du wissen willst, wie sich ein ETF entwickelt hat, könntest du natürlich jedes Jahr einzeln nachschauen, Kurse aufschreiben und in Excel eintragen. Doch Profis laden mit wenigen Zeilen Code einfach:

  • 20 Jahre Kursdaten,
  • Dividenden,
  • Zinsreihen,
  • Wirtschaftsdaten,
  • Marktbenchmarks.

Stell dir vor, du drückst einen Knopf – und alle Daten sind da. Sauber, vollständig, sortiert.

Python ist dafür die perfekte „Kursdaten-Schaufel“. Es gräbt für dich, nicht du für die Daten.

19.2.2 Strategien testen – aber wissenschaftlich sauber

Du kennst mittlerweile viele Investment-Ideen:

  • Buy-and-Hold
  • Value Investing
  • Momentum
  • Rebalancing
  • Diversifikation

Profis nutzen Python, um diese Ideen zu testen – und zwar so:

  1. Eine Regel definieren (z. B. „kaufe Aktien, die in den letzten 12 Monaten stark gestiegen sind“).
  2. Die Regel auf echte historische Daten anwenden.
  3. Berechnen, wie hoch die Rendite gewesen wäre.
  4. Risiken, Drawdowns und Schwankungen messen.

Das Ergebnis ist kein Bauchgefühl. Es ist eine Messung.

Und genau das unterscheidet professionelles Arbeiten von Raten oder Hoffen.

19.2.3 Risiken analysieren – ohne Taschenrechner vom Küchentisch

Python hilft Profis, Risiken zu erkennen:

  • Wie stark schwankt mein Portfolio?
  • Wie viel habe ich in einem schlechten Jahr verloren?
  • Was wäre passiert, wenn ich früher oder später eingestiegen wäre?
  • Welche Positionen treiben mein Risiko?

Das klingt komplex, aber Python macht es einfach: Es berechnet Zahlen, die sonst Stunden dauern würden – in Sekundenbruchteilen.

19.2.4 Portfolios optimieren – das „Was-wäre-wenn“ für Profis

Viele Profis nutzen Python, um verschiedene Portfolio-Versionen durchzuprobieren:

  • Was wäre, wenn wir 10 % mehr Anleihen nutzen?
  • Oder 20 % weniger USA?
  • Oder den Sparplan verdoppeln?
  • Oder statt MSCI World einen All-Country-ETF?

Mit Python testen sie nicht nur eine Idee – sondern hunderte. Gleichzeitig.

19.3 Python für Einsteiger – die gute Nachricht

Wenn du jetzt denkst:

„Das klingt spannend – aber ich will nicht programmieren lernen.“

Dann ist das völlig okay. Du musst es nicht.

Dieses Kapitel soll dir nicht beibringen, wie du Python benutzt, sondern wie die Profis denken, die Python benutzen. Du sollst verstehen, was sie tun – und warum.

Die Jupyter-Notebooks, die du auf der Homepage der Digital Leaders Academy frei herunterladen kannst, sind kommentiert wie ein Schulbuch. Du kannst sie öffnen, durchscrollen und verstehen, was passiert – ohne eine einzige Zeile zu ändern.

Und wenn du irgendwann Lust hast, selbst etwas auszuprobieren, ist Python eine der freundlichsten Sprachen überhaupt.

19.4 Ein Beispiel aus der Praxis: Momentum – aber verständlich erklärt

Momentum ist eine der ältesten und am besten erforschten Investment-Strategien. Sie basiert auf einer sehr einfachen Beobachtung:

Aktien, die in der letzten Zeit gestiegen sind, tendieren dazu, weiter zu steigen.

Das klingt fast zu einfach – aber es ist wissenschaftlich gut belegt.

19.4.1 Die Grundidee – in Alltagssprache

Stell dir vor, du beobachtest 100 Kinder, die auf einem Spielplatz laufen. Einige rennen schnell, andere langsam. Wenn du raten müsstest, wer in den nächsten 10 Sekunden am weitesten kommt – würdest du:

  1. zufällig ein Kind auswählen? oder
  2. eines der Kinder nehmen, das bereits schnell läuft?

Die Daten sagen: (b) gewinnt häufiger.

An der Börse ist das ähnlich. „Bewegung bleibt Bewegung“ – zumindest oft genug, um eine Strategie daraus zu bauen.

19.4.2 Wie Momentum im echten Leben getestet wird

Hier kommt Python ins Spiel. Ein professioneller Analyst würde Folgendes tun:

  1. Lade z. B. 20 Jahre Kursdaten der 500 größten US-Aktien.
  2. Berechne für jede Aktie, wie sie in den letzten 12 Monaten lief.
  3. Sortiere sie nach Performance.
  4. Kaufe die besten 10 %.
  5. Beobachte die Entwicklung für die nächsten 3 Monate.
  6. Wiederhole alles – Monat für Monat.

Das ergibt eine vollständige Testreihe:

  • durchschnittliche Renditen
  • maximale Verluste
  • Volatilität
  • Sharpe Ratio
  • Vergleich zum S&P 500

Und am Ende weißt du nicht nur, ob Momentum funktioniert – sondern wie gut, wie oft, wie stabil und in welchen Marktphasen.

Ohne Python wäre das ein Jahresprojekt. Mit Python: Sekunden.

ABB. 19.2: Backtest-Zeitreise

19.4.3 Ein Momentum-Backtest – erklärt wie eine Geschichte

Stell dir vor, Python ist ein Assistent. Du gibst ihm eine einfache Aufgabe:

„Schau dir jede Aktie an. Finde heraus, wer gerade gut läuft. Kauf die besten. Wiederhole.“

Und Python antwortet:

  • „Okay, ich habe alle 500 Aktien analysiert.“
  • „Hier sind die besten Performer.“
  • „Ich habe sie gekauft.“
  • „Nach drei Monaten habe ich sie wieder verkauft.“
  • „Hier ist dein neues Portfolio.“
  • „Hier ist die Rendite.“
  • „Hier ist das Risiko.“
  • „Hier ist der Vergleich zur Benchmark.“

Python arbeitet wie ein Super-Rechenknecht – aber du sagst ihm in einfachen Worten, was er tun soll.

19.4.4 Was so ein Backtest wirklich zeigt

Hier wird es spannend.

Ein Momentum-Backtest zeigt dir nicht nur:

  • wie hoch die Rendite gewesen wäre

… sondern auch:

  • wann die Strategie schlecht läuft
  • wie tief die größten Verluste waren
  • wie häufig du umschichten musst
  • ob die Strategie in Krisen robust ist
  • ob sie zu deinem Risiko-Profil passt

Backtests ersetzen nicht das Nachdenken – aber sie machen es fundierter.

19.5 Was du aus Python lernen kannst – selbst wenn du nie programmierst

Dieses Kapitel ist kein Kurs für Python. Sondern eine Einladung, die Denkweise der Profis zu übernehmen:

(1) Teste Ideen, statt sie zu glauben.
(2) Arbeite mit Daten, statt mit Bauchgefühl.
(3) Verstehe, wie Strategien unter verschiedenen Marktbedingungen funktionieren.
(4) Lerne aus der Historie, ohne ihr blind zu vertrauen.
(5) Erkenne Muster, Wahrscheinlichkeiten und Risiken.

Dies ist das Mindset, das langfristig erfolgreich macht. Python ist nur ein Werkzeug dafür – aber ein mächtiges.

19.6 Was du aus diesem Kapitel mitnehmen solltest

👉 Python ist das wichtigste Werkzeug moderner Investmentanalyse.  
👉 Es macht Daten verfügbar, verständlich und testbar.  
👉 Backtests zeigen, ob eine Strategie wirklich funktioniert.  
👉 Momentum ist ein klassisches Beispiel für eine datenbasierte Regel.  
👉 Du musst nicht programmieren – aber du kannst viel lernen, wenn du die Denkweise dahinter verstehst.  
👉 Die kostenlosen Notebooks (auf der Homepage der Digital Leaders Academy) sind dein Fenster in die Welt der Profis.

19.7 Zum Nachdenken

Wenn du künftig eine Investment-Idee hörst – egal ob in einem Video, Podcast oder Social-Media-Post –, könntest du dir einmal folgende Fragen stellen:

  • Könnte man diese Idee testen?
  • Welche Daten bräuchte man dafür?
  • Wie hätte sie in den letzten 20 Jahren ausgesehen?
  • Lohnt sie sich im Vergleich zu meiner einfachen Strategie?
  • Oder klingt sie nur gut?

Das ist der Unterschied zwischen einem Hobby und einem Profi-Mindset.

19.8 Ausblick

Im nächsten Kapitel wartet das Glossar auf dich – dein persönliches Wörterbuch für die Welt der Finanzen. Dort findest du alle wichtigen Begriffe aus diesem Buch:

👉 klar
👉 verständlich
👉 alltagsnah
👉 ohne Fachchinesisch

Es ist der perfekte Begleiter, wenn du später noch einmal etwas nachschlagen möchtest oder du in Zukunft auf Finanzbegriffe stößt, die du schnell einordnen willst.

Mit Kapitel 19 hast du gelernt, wie Profis denken. Mit Kapitel 20 bekommst du die Sprache dazu.